5. Inländerstammtisch: Anerkennung ausländischer Schul- und Berufsabschlüsse – Probleme und Perspektiven

Rund 20 Interessierte kamen am 10. September 2007 ins KulturA, um sich beim 5. Inländerstammtisch der Bergedorfer SPD über die Probleme bei der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse zu informieren. Kernproblem ist dabei das sehr reglementierte deutsche Bildungssystem, das Anerkennungen auswärtiger Schul- und Berufsabschlüsse kaum zulässt. Zwar kann über Weiterbildungen in manchen Fällen doch noch ein qualifizierter Einstieg ins hiesige Berufsleben für Migranten ermöglicht werden, wie Ulf Fock, Geschäftsstellenleiter der Agentur für Arbeit in Bergedorf, darlegte. Doch häufig scheitere die berufliche Integration an mangelnden Sprachkenntnissen.

Ulf Fock, Leiter der Bergedorfer Arbeitsagentur

Ulf Fock, Leiter der Bergedorfer Arbeitsagentur

Zum bereits fünften Mal lud die SPD Bergedorf nun schon zum Inländerstammtisch ein. Dieses Mal war das KulturA in Neuallermöhe der Veranstaltungsort, weil das Thema, die „Anerkennung ausländischer Schul- und Berufsabschlüsse – Probleme und Perspektiven, viele Menschen in dem Stadtteil betrifft.

Zunächst erläuterte Michael Schütze, der Vorsitzende der SPD Lohbrügge und einer der Initiatoren des Inländerstammtisches, das Grundproblem. Zwar sei die Voraussetzung für die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse eigentlich eindeutig, denn sie müssten „nur“ in Ziel, Umfang und Inhalt deutschen Abschlüssen vergleichbar bzw. gleichwertig sein. Aber genau das sei der Haken, weil sich das deutsche Bildungssystem zum Teil erheblich von dem anderer Länder unterscheide. So könne z. B. ein ausländischer Schulabschluss nur anerkannt werden, wenn er auf mindestens neun Schuljahren beruhe. Doch in vielen außereuropäischen Ländern sei das nicht die Regel. Bei ausländischen Berufsabschlüssen ergebe sich das Problem, dass diese meist auf einer schulischen oder polytechnischen Ausbildung beruhten, während es in Deutschland das stark reglementierte duale Ausbildungssystem gebe, zu dem es im Ausland keine Entsprechung gebe, so dass solche Abschlüsse in der Regel nicht anerkannt werden könnten.

Neben diesen formalen Problemen verwies Schütze auch auf die praktischen Probleme, vor denen Migranten bei der Anerkennung ihrer Abschlüsse stünden. So müssten sie erst einmal die für sie zuständige Stelle finden, weil es ganz unterschiedliche Stellen für die Anerkennung von Bildungsabschlüssen gebe. So werden Schulabschlüsse vom Schulinformationszentrum der Bildungsbehörde geprüft, Berufsabschlüsse meist von den zuständigen Kammern (Handelskammer, Handwerkskammer, Landwirtschaftskammer) und Hochschulzugangsberechtigungen von der gewünschten Universität. Sei die zuständige Stelle gefunden, gebe es aber bürokratische Probleme, weil die Antragssteller erst umfangreiche Unterlagen (Pass, Abschlusszeugnis, Notenübersicht etc.) im Original und in beglaubigter Übersetzung vorlegen müssten. Das sei nicht nur zeit- und kostenaufwändig, sondern insbesondere für Migranten aus Krisengebieten gar nicht zu leisten, weil die gewünschten Unterlagen nicht mehr existierten oder z. B. für Flüchtlinge nicht zugänglich seien.

Doch selbst wenn die Anträge vollständig seien, stehe am Ende der teils monatelangen Prüfung meist eine Ablehnung oder nur eine Teilanerkennung. Exemplarisch nannte Schütze die Anerkennung ausländischer Lehrbefähigungen. Von 168 Anträgen an die Hamburger Bildungsbehörde im Jahre 2006 seien nur 9 voll anerkannt worden! Im Falle von Teilanerkennungen, z. B. weil der Antragsteller statt der geforderten zwei Lehrfächer nur eines vorweisen konnte, könne zwar mittels eines verkürzten Universitätsstudiums das zweite Fach nachgeholt werden, doch koste das auch wieder Zeit und Geld. Gleiches gelte bei der Nichtanerkennung von Schulabschlüssen, wenn z. B. die geforderte Mindestzahl an Schuljahren nicht vorliege. Dann müsse der Migrant seien Schulabschluss in einer 1-3-jährigen Fortbildung je nach angestrebtem Abschluss nachholen. Werde nur die Hochschulzugangsberechtigung nicht anerkannt, könne eine Feststellungsprüfung abgelegt werden, die allerdings in der Regel den Besuch eines einjährigen Studienkollegs erfordere, was wiederum Zeit und Geld koste.

Bei nichtanerkannten Berufsabschlüssen kommt hingegen die Arbeitsagentur ins Spiel, wie Ulf Fock, der Geschäftsstellenleiter der Bergedorfer Agentur für Arbeit, erläuterte. Dies gelte aber nur, wenn der Migrant bereits mindestens ein Jahr sozialversicherungspflichtig gearbeitet habe oder unter 25 Jahre alt sei. Andernfalls sei die Arge zuständig. Von den 5.200 in Bergedorf gemeldeten Arbeitslosen seien 20% Ausländer. Der tatsächliche Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund sei jedoch deutlich höher, weil z. B. das Kriterium Aussiedler bislang nicht erfasst werde. Das werde aber nun zumindest intern geändert. Fock schätzte die Zahl der Arbeitslosen mit Migrationshintergrund auf ein Viertel bis ein Drittel. Deren dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt sei das Ziel der Agentur. Deshalb werde zunächst eine Standortbestimmung des „Kunden“ vorgenommen, um die Stärken und Schwächen zu erkennen. Dabei stellten sich bei Migranten die fehlenden deutschen Sprachkenntnisse als großes Problem dar, so Fock. Deshalb biete die Agentur spezielle Sprachkurse an, die qualitativ hochwertiger seien als die Integrationskurse, weil individuell auf die Probleme des Migranten eingegangen werde, während bei den Integrationskursen alle Teilnehmer auf einem Niveau unterrichtet würden. Anschließend könnten mit gezielten Trainingsmaßnahmen (z. B. Schweißerschein) vorhandene berufliche Qualifikationen so weiterentwickelt werden, dass eine Jobvermittlung erfolgreich sei. Dies sei vor allem in Bau- und Metallberufen der Fall. Häufig versuche die Agentur auch, die ausländischen Sprachkenntnisse der Migranten zu nutzen, um sie z. B. in Handelsberufe zu vermitteln. Auch werde mit türkischen Unternehmen zusammengearbeitet. Die schwierigste Gruppe, mit der die Agentur zu tun habe, seien die jugendlichen Migranten, die keine deutsche Schule besucht hätten und deren ausländischer Schulbesuch nicht anerkannt werde, erklärte Fock abschließend.

Maryla de Weryha vom Kifaz Neuallermöhe, die kurzfristig als Referentin einsprang und aus der Sicht der Migranten berichtete, bestätigte viele der genannten Probleme. So werde das im Ausland abgelegte Abitur häufig ebenso wenig anerkannt wie die Lehrerausbildung, während es bei Erziehern, Ingenieuren und Medizinern kaum Probleme gebe. Allerdings könnten viele Migranten aus Afghanistan trotz guter Deutschkenntnisse ihre Ausbildung wegen fehlender Dokumente meist nicht nachweisen, z. B. Mediziner. Bei vielen anderen Migranten erschwerten hingegen die mangelnden Kenntnisse der deutschen Sprache eine berufliche Integration.

Dies wurde auch in der Diskussion deutlich. Die Anwesenden waren sich einig, dass die Integrationskurse für Migranten zwar hilfreich seien, aber mit nur 600 Stunden zu gering ausfielen. Vor allem aber sei das Kernproblem die Zeit nach den Kursen. Es gebe viel zu wenig niedrigschwellige Sprachangebote, wie Sprach- oder Konversationstreffs, zumal in den Familien häufig kein Deutsch gesprochen werde. Nur mit solchen zwanglosen Treffs könne die Hemmschwelle, sich der deutschen Sprache zu bedienen, abgebaut werden. Dies sei gerade auch bei Aussiedlern wichtig, die eine besonders große Angst hätten, Fehler zu machen. Daher wurden Ideen vorgeschlagen wie Patenschaften für Migranten, bei denen sich Deutsche um Migranten kümmern und mit ihnen Deutsch sprechen. Oder auch Vereinspatenschaften bzw. spezielle Kontaktpersonen in den Vereinen, die Ansprechpartner für die Migranten sind. Letztlich ist hier viel ehrenamtliches Engagement gefragt, um die Kontakte zwischen Einheimischen und Migranten zu vergrößern.

Michael Schütze

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