1. Inländerstammtisch: Miteinander in Bergedorf – die neue Moschee am Schleusengraben

Gut 20 Interessierte kamen am 06. September 2006 auf Einladung der Bergedorfer SPD zum ersten Inländerstammtisch in die Gaststätte „Zum Gewerkschaftshaus“ (Am Pool 41). Das Thema dieses Abends lautete „Miteinander in Bergedorf – die neue Moschee am Schleusengraben“. Als Referenten waren Michael Joho (Vorsitzender des Einwohnervereins St. Georg) und Ali Yigit (Vorsitzender der türkischen Gemeinde Bergedorf) eingeladen. Interessiert lauschten die Besucher den Ausführungen der beiden Referenten.

Ali Yigit, Vorsitzender der türkischen Gemeinde Bergedorf, Stephanie Albrecht vom Inländerstammtisch, und Michael Joho vom Einwohnerverein St. Georg

Ali Yigit, Vorsitzender der türkischen Gemeinde Bergedorf, Stephanie Albrecht vom Inländerstammtisch, und Michael Joho vom Einwohnerverein St. Georg (von links)

Michael Joho berichtete von dem friedlichen Miteinander unterschiedlicher Religionsgemeinschaften im Stadtteil St. Georg:

Nachdem in den 60er Jahren angedacht worden war, zwei Drittel der Wohngebäude in Hamburgs Hauptbahnhofsviertel abzureißen und durch Bürogebäude zu ersetzen, zogen viele der damaligen Bewohner aus St. Georg weg.  Die Umgestaltung des Viertels wurde aber nicht abschließend vollzogen und viele Gastarbeiter fanden hier zu niedrigen Mieten ein neues Zuhause. Heute ist St. Georg ein multikultureller Stadtteil, in dem nicht nur ca. 37 Prozent der Bevölkerung keinen deutschen Pass besitzt (der  Hamburger Durchschnitt liegt bei ca. 15 Prozent), sondern auch die Hamburger Schwulen- und Lesbenszene beheimatet ist. „Zu Beginn meiner Arbeit auf kommunaler Ebene habe ich noch die Auffassung vertreten, dass es doch möglich sein muss, alle Menschen gleich welcher Hautfarbe zusammenzubringen. Wir sind doch schließlich alle gleich“, so Joho zurückblickend auf die Anfänge seines Engagements in Bürgerinitiativen. „Heute bin ich etwas realistischer. Es ist nicht so, dass ich jeden Abend mit Mohammad von nebenan ein Bier trinken gehe“. Trotzdem kauft er beim türkischen Gemüsehändler an der Ecke ein und besucht regelmäßig die Cafeteria bestimmter Moscheen. „Dort kennt man sich und trinkt gemeinsam einen Tee“. Wichtig ist seiner Meinung nach gewesen, dass die Funktionäre der verschiedenen Institutionen angefangen haben, sich gegenseitig kennen zu lernen. Heute gibt es einen regen und intensiven Austausch. Viel wird in St. Georg durch ehrenamtliches Engagement seiner Einwohner organisiert. Zuletzt ein Einführungsgottesdienst für die jüngsten ABC-Schützen in der ev. Kirche, bilingual durchgeführt durch einen Pastor und einen türkischen Imam. Die Heinrich-Wolgast-Schule, einzige Grundschule im Stadtteil, ist nämlich eine von zwei Hamburger Schulen, die in einem Klassenzug bilingual in deutscher und türkischer Sprache unterrichtet. Aber auch in schwierigen Zeiten stehen die Bewohner von St. Georg zusammen. So wurden selbst nach den traurigen Anschlägen vom 11. September 2001 weiter gemeinsame Gottesdienste durchgeführt und eine Lichterkette mit ca. 7000 Menschen durch den Stadtteil zeugte von einem starken Zusammengehörigkeitsgefühl. Abschließend meinte Michael Joho: „Auch wenn es nicht immer ein Miteinander gibt, so gibt es doch ein Nebeneinander, das ich in seiner Unterschiedlichkeit sehr zu schätzen weiß, und ich bin sicher, alles andere wird sich ergeben.“

Modell der geplanten Moschee

Modell der geplanten Moschee

Auch Herr Yigit ging in seinen Ausführungen bis weit in die 60er Jahre zurück:

So haben sich in den 60er Jahren nämlich auch viele der Gastarbeiter in Bergedorf niedergelassen und sich hier 1974 zur türkischen Gemeinde zusammengeschlossen. Als Moschee diente damals noch ein Hinterhof in der Holtenklinker Straße. Hier wurden täglich die fünf vorgeschriebenen Gebete abgehalten. Trägerverein der Gemeinde war damals noch die umstrittene Organisation Milli Görus. 1986 nach dem Umzug in einen weiteren Hinterhof am Brookdeich trennte man sich von Milli Görus als Trägerverein und schloss sich der DITIB an. 776 Vereine sind laut Herrn Yigit mittlerweile bei der DITIB angeschlossen. Die DITIB bildet auch die Imame aus, die dann für vier Jahre in eine türkische Gemeinde nach Deutschland geschickt werden. Richtig glücklich waren die Muslime in Bergedorf nie mit ihrer Begegnungsstätte und es passte gut, dass sie im September 2003 günstig ein Grundstück an der Stuhlrohrstraße ersteigern konnten. An zentraler Stelle sollte nun endlich eine richtige Moschee errichtet werden. Im Zuge der Neugestaltung des Bergedorfer Bahnhofes und der Errichtung eines Fachmarktzentrums südlich der B5 interessierte sich aber auch bald der Investor Fundus für das neu erworbene Grundstück der türkischen Gemeinde. Nach fast zwei Jahren intensiver Verhandlungen zwischen dem Fundus Fonds und der türkischen Gemeinde ist nun eine Lösung gefunden. Im Tausch für das Grundstück an der Stuhlrohrstraße baut Fundus der türkischen Gemeinde nur 50 Meter weiter eine neue Moschee. Diese neue Moschee passt sich im Außenbild dem neuen Fachmarktzentrum an und kann hoffentlich zum Ramadan-Fest im Oktober 2007 eröffnet werden. Auf die Frage, ob die türkische Gemeinde auch plant, ihre Begegnungsstätte für den Stadtteil zu öffnen, meinte Herr Yigit spontan: „Ja natürlich. Im Erdgeschoss der Moschee sollen Geschäfte und eine öffentliche Cafeteria entstehen. Außerdem planen wir Führungen für Schulklassen und andere Kirchengemeinden und einen regelmäßigen Tag der offenen Tür. Für alle weiteren Aktionen stehen wir offen und hoffen auf den Austausch mit der Bergedorfer Bevölkerung.“ Diesen Worten folgten auch sofort Taten. Ein Mitarbeiter der KITA „Wackelzahn“ der Gnadenkirche in Lohbrügge bekundete direkt großes Interesse an einem regen Austausch mit der türkischen Gemeinde.

Zum Ende der Veranstaltung waren sich die Teilnehmer einig, dass die neue Moschee ein Gewinn für Bergedorf und seine Bewohnerinnen und Bewohner darstellt. Auch für die Bewohnerinnen und Bewohner ohne muslimischen Glauben.

Stephanie Albrecht und Simone Gündüz

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