7. Inländerstammtisch: Bildung und Integration – Was muss sich im deutschen Bildungssystem ändern?

Warum es Migranten im deutschen Bildungssystem besonders schwer haben und was gegen deren Benachteilung zu tun ist, das diskutierten knapp 40 Interessierte, darunter viele Migranten, am 02. April in der Bergedorfer Moschee beim 7. Inländerstammtisch zum Thema „Bildung und Integration – was muss sich im deutschen Bildungssystem ändern?“ mit Prof. Dr. Ingrid Gogolin vom Institut für international vergleichende und interkulturelle Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg.

Professorin Ingrid Gogolin

Professorin Ingrid Gogolin

In ihrem rund halbstündigen Vortrag beklagte Gogolin die „reaktive Integrationspolitik“ in Deutschland. Es gebe zwar viele Maßnahmen, aber wenig Systematik, mithin keine vorausschauende Integrationspolitik, so dass Migration ein benachteiligendes Element sei, das mit zwei Elternteilen mit Migrationshintergrund noch negativer wirke als mit einem. Verschärfend komme hinzu, dass Bildung in Deutschland maßgeblich von der Herkunft abhänge, Bildungsarmut also erblich sei. Die Folge seien schlechtere Bildungsabschlüsse für Migranten und deren aktive Diskriminierung beim Übergang von der Schule in den Beruf. Hier hätten Migranten mit Haupt- oder Realschulabschluss ähnliche Chancen wie Deutsche ohne Abschluss. Als Gegenmaßnahme empfiehlt Gogolin eine Bildungsgesamtstrategie mit zentralem Monitoring, kontinuierlicher Begleitung der Migranten und einem Dolmetscherdienst. Bei der Kernfähigkeit der sprachlichen und insbesondere der bildungssprachlichen Kompetenz sei eine kooperative Sprachbildung an den Schnittstellen des Bildungssystems erforderlich, wobei mit außerschulischen Partnern (Eltern, Kitas, Vereinen, Betrieben) zusammengearbeitet werden müsse.

Auch der 7. Inländerstammtisch, der dieses Mal in der Bergedorfer Moschee stattfand, war gut besucht.

Auch der 7. Inländerstammtisch, der dieses Mal in der Bergedorfer Moschee stattfand, war gut besucht.

Da die sprachliche Kompetenz vor allem Zeit (bis zu 8 Jahre) brauche, sei auch die Primarschule keine Verbesserung. Für das Grundübel des deutschen Bildungssystems hält Gogolin das (Aus-)Sortieren der Kinder, um homogene Gruppen zu bekommen. Diese Homogenisierung werde künftig durch die Schulbereichsfreigabe noch gefördert. Betriebe würden dann noch mehr ihre Einstellungsauswahl nach der besuchten Schule treffen.

Dass es insbesondere auf die Eltern ankommt, diese ernst genommen werden müssen, wurde in der lebhaften Diskussion deutlich, in der die Anwesenden vor allem ihre persönlichen Erfahrungen einbrachten. Oftmals mangele es an der richtigen Ansprache an Kinder und Eltern. Den Lehrern fehle das Verständnis für Migrantenkinder (interkulturelle Kompetenz), weshalb sie diese oft unterschätzten. Die Folge seien weniger Empfehlungen für das Gymnasium. Da die Eltern aber häufig Angst hätten oder das Bildungssystem nicht durchschauten, würden sie sich zum Schaden ihrer Kinder nicht wehren. Deshalb sei es wichtig, in die Familien hineinzugehen, statt darauf zu warten, dass die Eltern in die Bildungseinrichtungen kämen.

Professorin Gogolin untermauerte ihren Vortrag mit einer Powerpoint-Präsentation.

Professorin Gogolin untermauerte ihren Vortrag mit einer Powerpoint-Präsentation.

Projekte wie das Lesementoring (Ehrenamtliche gehen in die Familien und lesen mit den Migrantenkindern) oder die Stadtteilmütter (Frauen mit Migrationshintergrund gehen mit Lesematerial in Familien und Schulen) wurden als erfolgreiche Maßnahmen gegen das demotivierende deutsche Bildungssystem empfohlen. Auch die Ganztagsbildung als Regelangebot müsse ausgeweitet werden für diejenigen, die Sprachförderbedarf hätten. Letztlich dürften die Institutionen nicht auf die Politik warten, sondern müssten selbst aktiv werden und z. B. Familienzentren gründen, um so Eltern wie Kinder zu fördern.

Der nächste Inländerstammtisch findet übrigens am 15. Mai statt. Dort wird dann mit der stellvertretenden Vorsitzenden der Hamburger Bürgerschaft, Nebahat Güclü, über die interkulturelle Kompetenz der Hamburger Verwaltung diskutiert.

Michael Schütze

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